Simone Haack. Zwielicht

Holger Peter Saupe, Kunstsammlung Gera

Es sind stille und auf den ersten Blick eigenartig vertraute aber gleichsam rätselhafte Bilder mit menschlichen Figuren, Gestalten oder nackten Körpern, die Simone Haack in diffusen Innenräumen, Landschaften oder fiktiven Situationen ansiedelt. Dabei beherrschen die teils in extremen Ausschnitten, ungewöhnlichen Perspektiven und Körperhaltungen gezeigten Figuren den Bildraum, den sie durch eine bisweilen ins Monumentale gesteigerte körperliche Präsenz sogar zu sprengen scheinen. Dennoch vermitteln sie vielmehr unterschwellig ein Gefühl von Einsamkeit, Verschlossenheit und Verletzlichkeit.

Das zentrale künstlerische Thema, der 1978 im niedersächsischen Rotenburg/Wümme geborene Simone Haack, die von 1997 bis 2003 Freie Kunst an der Hochschule für Künste in Bremen und anschließend als Meisterschülerin bei Karin Kneffel studierte, ist im weitesten Sinne die physische und psychische Existenz des Menschen und dessen vielschichtige Verstrickungen in Träume, Ängste und Vorstellungen.

Seit einige Jahren hat die Künstlerin ihre anfänglich abstrakt-expressive Bildsprache hinter sich gelassen und in Vergewisserung des reichhaltigen Inventars der Kunstgeschichte eine realistisch anmutende, gegenständlich-figurative Malerei entwickelt, der eine Affinität zu den hintergründig rätselhaften Bildwelten des Surrealismus anzumerken ist, die aber ebenso mit den durch die modernen Medien erzeugten Sehgewohnheiten operiert. Denn die Basis ihrer malerischen Bildformulierung bilden meist eigene fotografische Vorlagen, in denen die Motive nach den Vorstellungen der Künstlerin bereits sorgsam inszeniert wurden.

Die zum Abschluss des Künstleraufenthaltes im Mittelpavillon der Geraer Orangerie präsentierte Ausstellung „Zwielicht“ zeigt Gemälde und Zeichnungen aus den letzten drei Jahren und konzentriert sich vorwiegend auf Bilder mit Kinder- und Körperthematik.

Im klassischen Sinne ließe sich das Spektrum der gezeigten Arbeiten mit Akt, Bildnis und Figurenkomposition umschreiben doch die traditionellen Kategorien greifen bei ihren stets psychologisch und emotional aufgeladenen Bildern etwas zu kurz.

Bei Simone Haack geht es nicht um Repräsentation des Realen, sondern sie schafft eigene Bildwirklichkeiten mit sinnlich Schlafenden, stupenden Kinderköpfen oder rastlosen zwischen Licht und Finsternis Suchenden, die jenseits einer abbildhaften Wiedergabe des visuellen Gegenübers anzusiedeln sind.

Die Künstlerin interessiert sich besonders für Schwellensituationen und Übergangsstadien, die in der einen oder anderen Weise immer die Grundkonstellationen ihrer Bildwerke bestimmen. Dies lässt sich sowohl auf die Zustandsschilderung ihrer Figuren als auch auf die atmosphärischen Momente des Bildraumes beziehen.

Diese uneindeutigen Zwischenweltbezüge gehören zu ihrer künstlerischen Strategie und verweisen auf den konzeptionellen Charakter ihrer Malerei. Sie finden nicht nur Eingang in ihre Kunst, sondern kommen in Bildern der regungslos daliegenden Frauenkörper, die zwischen Wachsein und Schlaf, Fiktion und Wirklichkeit angesiedelt sind und ebenso in den Kindergestalten, die an der Schwelle zwischen Mädchen und Frau stehen oder in delikaten Raumszenerien dunstiger Dämmerzustände zwischen Tag und Nacht wieder zum Vorschein.

Kennzeichnend für die Bildwelt von Simone Haack sind auch die vielmals suggestiven Perspektivblicke auf ihre Figuren, die den Betrachter einerseits unwillkürlich auf das Bodenniveau der Liegenden führt und andererseits in stürzenden Aufsichten eine unausweichliche Konfrontationen von erschreckender Direktheit provoziert.

So wird unser Blick weniger auf den stark verkürzten Körper als vielmehr auf den Kopf der Mädchen mit den großen Augen gelenkt, die mit ihren Armen nicht nur ihre Nacktheit, sondern durch ihren entrückten Blick mehr noch von ihrer seelischen Verfassung verbergen können.

Manchmal beschleicht den Betrachter ihrer Gemälde ein ambivalentes Gefühl, das man nicht eindeutig entschlüsseln kann, in dem aber eine irritierende Mischung aus Faszination und Befremdlichkeit, Bezauberung und Unbehagen, Erheiterung und Beunruhigung anklingt.

In ihren jüngeren Arbeiten zeigt sie vor unscharfen Hintergründen mit dunklen oder unwirtlich wirkenden Landschaften, ihre im Zwielicht erscheinende mysteriöse Szenerien, deren unheimlich-dramatische Situation nicht zu verkennen ist. Dieses Rätselhafte birgt ein irrationales und narratives Moment. Die Künstlerin treibt die Regie ihrer Bilder oftmals bis zu einem Zustand, in dem der Betrachter eine schockierende Irritation erfährt. Dadurch wird ein Wahrnehmungsprozess aktiviert, der das vorgefundene Bild nicht mehr nur als einzelnes, sondern vielmehr als Teil einer logischen Abfolge zu erkennen glaubt und der die Assoziationen über das davor und danach in die eine oder andere Richtung zu lenken vermag.

Dieses Bewusstmachen kritischer Zustände, dieses Zuspitzen auf jenen Moment, an dem sich die verschwiegen magische Stimmung jederzeit wenden und völlig unerwartet zur Katastrophe negieren kann. Wenn sich beispielsweise das sinnliche Traumbild der balancierenden Seilartistin plötzlich verflüchtigt und auf die schwebende Leichtigkeit ein Sturz ins Bodenlose folgt. Oder wenn auf das erstarrte Erschrecken des Schwesternpaares nur noch das Entsetzen und ein grauenvolles Unheil droht. Auf der Basis dieser Bildstrategie bleibt es nur noch abzuwarten, bis sich die Künstlerin auch des bewegten Mediums Film bedient.