Phantasmagorien - unheimliche (Bild-) Realitäten

Elke Bippus, 2004

Weibliche Gestalten bestimmen die Malerei Simone Haacks. Die Darstellungen gehorchen zwar den Gesetzen der realistischen Malerei, sie konstituieren jedoch mit dem sie umgebenden Raum eine Wirklichkeit wie wir sie mit Traum, Erinnerung und Imagination assoziieren. Diesen Modus des (Ir-)Realen erzielt Simone Haack durch die Körperhaltung der Dargestellten, deren Blicke, die Licht und Schattenverteilung, durch Deformationen und Transformationen, durch Accessoires und nicht zuletzt durch die lasierende Malweise.


Die Figuren wirken verhalten und entrückt. Ihre Blicke scheinen sich zwar an die Betrachter/innen zu richten, aber sie bleiben doch eigentümlich leer. Das nahezu lebensgroß dargestellte Mädchen in gelbem Kleid steht vor einem angedeuteten braunrötlichem Vorhang, wie er als Hintergrund in Fotostudios üblich ist (Abb.1). Steif verharrt sie vor dieser Kulisse als warte sie auf das erlösende Geräusch des Auslösers oder den grellen Schein des Blitzlichtes. Das maskenhaft theatralische dieser Szene ist unverkennbar, das Spiel kann beginnen...

Simone Haacks Malerei basiert auf fotografisch inszenierten Bildvorlagen. Allerdings artikuliert sie eine Differenz zur Fotografie, welche die Zeit im Augenblick der Aufnahme verdichtet und diesen Moment über Lebensalter hinaus bewahrt. Diese technische Möglichkeit der Fotografie ist mit dem Mythos des richtigen Augenblicks verbunden – der Schnappschuss, der eine Situation authentisch festhält. Simone Haack dehnt im Unterschied dazu diesen Moment. Der richtige Augenblick, der das abzulichtende Objekt wahrhaftig trifft, bleibt ein Versprechen. Statt dessen verströmen ihre Bilder den Eindruck von Veränderung und Prozessualität. In der in Pastelltönen gehaltenen Porträtserie von 2004 (Abb.4) scheinen sich die Dargestellten aus den in Lasuren aufgeschichteten Farbschleiern herauszuschälen. Den Darstellungen eignet ein verschwommener Eindruck, so dass offenbar wird, dass die Betrachter/innen es sind, welche das Bildliche fixieren. Auch in ihrer zwölfteiligen Serie von Aktdarstellungen spielt das Blicken und erblickt werden eine Rolle (Abb 6-7). Die Bilder suggerieren, auch wenn sie von einer künstlichen Beleuchtung zeugen, zunächst den Eindruck einer unprofessionellen und eher naiven Inszenierung. Jedoch trügt der Schein, die Dargestellte unterwirft sich nicht dem auf sie geworfenen Blick, sondern blickt provokativ zurück — weit entfernt von jeglicher Koketterie. Diesen fordernden – mit den Betrachter/innen spielenden Aspekt – bringt das farblich auf grün, rot und ocker reduzierte Bild auf den Punkt (Abb.8). Die hockende, unbeholfen verharrende Figur scheint gefesselt. Von der „Oberbühne“ dieses theatralischen Raumes fällt ein rotes Band als Verbindung zwischen dem roten Oberteil der Hockenden zum Warten gezwungenen und einer unseren Blicken entzogenen Realitätsebene.

Aber ist es wirklich so? Liegt in dem traurig dumpfen Gesichtausdruck der Person nicht doch ein hinterhältig spöttischer Zug? Die Bilder von Simone Haack sind nur auf den ersten Blick niedlich und nett, ihnen eignet jedoch etwas Unheimliches. Im Unterschied zur Fotografie, die einen Augenblick aus dem Zeitfluss heraushebt, liegt in der theatralischen Inszenierung dieser Bilder eine Spannung zwischen einem Vorher und Nachher, das potentiell in seiner Unvorhersehbarkeit hereinzubrechen droht.

2004